Analyse von Bachs C-Dur Praeludium aus dem "Wohltemperierten Klavier"

Vorab muß gesagt werden, daß den halben Noten im Bass und einer eleganten Stimmführung in allen " FÜNF " Stimmen besondere Bedeutung zukommt. Fünf Stimmen deshalb, weil die Arpeggien als Akkorde dargestellt fünfstimmig sind.

Takt 1: C-Dur Akkord. Grundstellung. Tonika.

Takt 2: d-moll sieben Akkord. 3.Umkehrung. Dient als erweiterter Vertreter der Subdomiante.

Takt 3: G 7 Akkord, 1.Umkehrung. Domiantseptakkord der Grundtonart C-Dur.

Takt 4: Und wieder zurück zur Tonika.

Takt 5: a-moll Akkord, 1.Umkehrung. Hier bahnt sich eine kleine Zwischenkadenz an. Zwar könnte der Akkord als VI. Stufe von C-Dur angesehen werden, aber im weiteren Verlauf zeigt sich, daß er als II.Stufe einer II-V-I Kadenz nach G-Dur funktioniert.

Takt 6: Ja genau! Jetzt kommt nämlich der verräterische D7 Akkord als Dominante von G-Dur. Durch die 3.Umkehrung kann das c im Bass verweilen. Très elegant.

Takt 7: Wie erwartet, löst sich die Kadenz in einen G-Dur Akkord auf (1.Umkehrung).

Takt 8: Nanuchen, ein C maj 7 Akkord ? Auch hier ist es wichtig, den weiteren harmonischen Verlauf der nächsten Takte zu betrachten.

Takt 9: Das bohrende h im Bass wandert nach a und bildet einen a-moll 7 Akkord. Herr Bach ist also noch in G-Dur geblieben und gönnt sich noch eine II-V-I Kadenz in G-Dur. Takt 8 hat somit eine gewisse klangmalerische Funktion (Impressionissmus im Barock?), entstanden durch die Bassbewegung.

Takt 10: Es folgt ein D7 Akkord in Grundstellung (und der erste "größere" Sprung im Bass) als Dominante von G-Dur (bzw. Doppeldominante von C-dur - ich mag diesen Begriff nicht so sehr, weil er meiner Meinung nach relativ überflüssig ist und oft Verwirrung in die Sache bringt).

Takt11: Und wieder wie erwartet die Auflösung in einen G-Dur Akkord, Grundstellung.

Takt 12: Hilfe, Vorzeichen!! Ein verminderter Septakkord auf cis in der 2.Umkehrung. Was soll das? Der Blick nach Takt 13 verrät es: eine "harte" Zwischendominante nach d-moll. Bei Alterationen gehen die b`s nach unten und die Kreuze nach oben (zum jeweiligen Halbton). Also: das b geht nach a und das cis nach d. Funktionsharmonisch läßt sich dieser Akkord auch als A7b9 Akkord ohne Grundton a auffassen.

Takt 13: Die Auflösung in d-moll Akkord 1.Umkehrung. Ruhige Bassführung.

Takt 14: Wieder ein verminderter Septakkord, diesmal auf h, in der 2.Umkehrung

Takt 15: Auflösung nach C-Dur Akkord, 1.Umkehrung. Willkommen zurück in C-Dur.

Takt 16: Dasselbe Spielchen wie in Takt 8 und 9. F maj 7, 3.Umkehrung.

Takt 17: d-moll 7 als II . Stufe in C-Dur.

Takt 18: Wie es sich für eine anständige II-V-I Kadenz gehört hier also die V Stufe G7 als Dominantseptakkord in Grundstellung. Parallel zu Takt 10 mit "größerem" Basssprung.

Takt 19: Erwartete Auflösung in die I.Stufe. C-Dur Akkord, Grundstellung.

Takt 20: Warum nicht zwischdrin mal nach F-Dur modulieren? Einen C7 Akkord als Zwischendominante nach F-Dur bringen!

Takt 21: Ja genau! F maj7 Akkord mit e in der Oberstimme als Nachhalt.

Takt 22: Und wieder ein verminderter Septakkord auf fis.

Takt 23: Czerny hat bei mir hier als Weiterführung einen c-moll Akkord in der 2.Umkehrung eingefügt. Das wird er noch bereuen.

Takt 24: Bei Bach kommt jetzt ein weiterer verminderter Septakkord auf h, diesmal in der 3.Umkehrung, also mit as im Bass.....

Takt 25: ....welches elegant auf g fällt und einen G7 Akkord in Grundstellung als Dominante fabriziert. Wichtig ist, daß ab hier ein Orgelpunkt auf g im Bass startet.

Takt 26: C-Dur Akkord in der 2.Umkehrung (Quartsextakkord)

Takt 27: Ein G7sus4 Akkord (beliebt in Pop und Jazz), d.h. mit Quartvorhalt (c anstatt h)

Takt 28: Der Quartvorhalt wird aufgelöst (c nach h), jetzt also ein richtiger G7 Akkord

Takt 29: Überraschung! Kein C-Dur Akkord! Bach hält uns noch ein bischen hin. Da hol ich mir doch schnell noch einen Gin Tonic. So, jetza, excuse me.... Ein verminderter Septakkord auf fis. Das g im Bass hat da eigentlich den Teufel verloren, aber so ist das halt mit denen Orgelpunkten. Das "es" im Basssystem müßte streng genommen als dis notiert sein, weil es das in Takt 30 folgende e vorbereitet. Da hat Herr Bach (oder der Notenherausgeber) wohl mal 5 grade sein lassen.

Takt 30: Die wunderschöne Auflösung in einen strahlenden C-Dur Quartsextakkord! Die Akkordfolge von Takt 29 und 30 ist Standard bei Klavierkonzerten vor der Kadenz. Der Tonikaquartsextakkord ist wie das Öffnen eines Tores, das Orchester hält ihn als Fermate und dann darf der Solist loslegen. Der Trick ist der, daß der verminderte Septakkord auf fis eigentlich in einen G-Dur Akkord aufgelöst werden müßte, in diesem Fall aber in eine "unstabile" Tonika (wegen der Quint g im Bass), also in einen C-Dur Quartsextakkord....

Takt 31: .... der aber nun in die Dominante umgebaut wird. Nicht sofort, sondern erst noch mit einem Quartvorhalt (wie Takt 27)

Takt 32: So, jetzt haben wir den G7 und könnten im nächsten Takt Feierabend machen.

Takt 33. Aber da kömmet noch was. Bach hat zwar den G7 nach C - Dur aufgelöst, aber irgendwie hat ihn wohl noch der Hafer gestochen und er hat ein b beigefügt, was einen C7 Akkord produziert, der als Zwischendominante noch einen Kurzausflug nach.....

Takt 34: ...F-Dur einleitet. Figurenwerk zerlegt den Akkord über dem Orgelpunktton c. Die letzten 4 Sechzehntel bringen sogar noch d mit ins Spiel, was den Akkord zu d-moll-sieben erweitert.

Takt 35: Über dem Orgelpunkt c erhebt sich nocheinmal der Dominantseptakkord G7...

Takt 36 . ...und löst sich jetzt endgültig in einen Ganzschluß in C-Dur auf.

ENDE. FEIERABEND.